Geburtsbericht Nr.1 - Kaiserschnitt statt Hausgeburt

Geburt Inken Arntzen

Text: Inken Arntzen, Fotos: Thies Arntzen

Bevor ich schwanger wurde hatte ich immer Angst vor der Geburt. Ich hatte Angst vor den Schmerzen und den Veränderungen des Körpers. Doch als ich dann schwanger war, war plötzlich ein tiefes Vertrauen da. Keine Angst. Mein Körper und mein Baby können das. So glaubte ich und ließ mich auf eine Hausgeburt ein. Doch dann kam alles anders.

Meine erste Schwangerschaft 2014/2015 verlief völlig Problemlos. Sag mir ein typisches Schwangerschaftsphänomen - ich hatte es NICHT. Wenn ich sagte, das ich gut schlafe, prognostizierten mir die Menschen, das würde sich noch ändern. Hat es aber nicht. Oder vielleicht war es für mich auch einfach kein nennenswertes Thema, das ich Nachts öfter auf Toilette gehen musste als vorher. 
In dieser Zeit habe ich festgestellt, das mich die Besuche bei der Vorsorge eher besorgten, als meine Sorge zu nehmen. Wahrscheinlich weil ich keine Sorgen hatte, die man mir hätte nehmen müssen. Während meine Freundinnen, die gleichzeitig schwanger waren, sich von den Untersuchungen besänftigt fühlten, fühlte ich mich verunsichert. Es war doch alles gut bei mir und meinem Baby. Warum hätten Thies und ich das Baby auf Trisomie 21 untersuchen lassen sollen? Wir hätten das Kind so oder so bekommen. 

Mir fiel schnell auf, das ich etwas anderes brauche: eine Hebamme. Ich suchte mir sehr früh eine Hebamme und begab mich mit meinem Mann auf die Suche wo wir das Kind bekommen wollten. Nachdem wir uns das Geburtshaus Altona angesehen hatten, beschlossen wir: das können wir auch zu Haus. Und so fanden wir eine der wenigen Hebammen in Hamburg, die noch Hausgeburten betreuen. 

Hebamme bei der Arbeit

Ich genoss die Termine mit ihr, in denen sie das Kind ertastete und und erhorchte. Ich fühlte mich sehr gut aufgehoben.

Oft hörte ich, ich sei ja so mutig. Ich kam mir gar nicht mutig vor. Ich lebe mitten in Hamburg. Ich brauche fünf Minuten zum nächsten Krankenhaus. Und ist eine Geburt nicht etwas ganz natürliches?
Ich wollte keine negativen Geschichten hören. Ich sagte mir immer, was haben diese Geschichten mit mir zu tun? Nichts. Und so ging ich mit positiven Gedanken voran. Thies und ich meditierten viel, hörten uns HypnoBirthing CDs an und ich ging zum Schwangeren Yoga.

Und dann kam der Stichtag im Mai 2015. Vorher hatte wir versucht uns nicht zu sehr auf diesem Tag versteifen. Und dann war sie doch da, die Enttäuschung, das nichts passierte. Ich glaube, die nächsten zwei Wochen waren die leisesten und die längsten in meinem Leben. Er kam nicht. Und kam nicht. Und kam nicht. Mein Bauch war inzwischen so dick, dass ich so langsam war wie eine Schnecke und immer wenn wir spazieren gingen, musste ich mich ständig hinsetzen.

In Deutschland gibt es die Regelung, das man nur vierzehn Tage "übertragen" darf. Das bedeutet, nach diesen zwei Wochen muss man in das Krankenhaus gehen und die Geburt einleiten lassen. Ich verstehe diese Regelung, da es darum geht sicher zu stellen, das das Baby nicht unterversorgt wird. Auch wenn diese Regel nicht für mich gemacht war. 
Am zwölften Tag ass ich abends ein Ei mit Rizinusöl. Es half erst. Ich bekam leichte Wehen Nachts. Wir hatten das Bett mit einer Malerfolie ausgestattet und mussten nun es warten, bis der richtige Zeitpunkt da wäre um die Hebamme anzurufen.

Um 5.45 Uhr Nachts spielten wir Karten. Tatsächlich konnte ich danach noch mal etwas schlafen! Das war gut. Am nächsten Morgen waren die Wehen wieder weg. Wir waren spazieren und ich sprach mit der Hebamme. Zu dem Zeitpunkt war ich 41 Wochen & 6 Tage schwanger = 293 Tage!

Am vierzehnten Tag ging es dann Nachts los. 2.21 Uhr kamen die Wehen im 5-6 Minuten Takt. Die Hebamme war auf dem Weg zu uns. Jetzt war ich schon einen kompletten Tag zugange, ohne das wirklich was passiert war. Ich hatte die Hoffnung, dass wenn die Hebamme käme es endlich richtig los ginge. Ich war müde. 

Und dann als die Hebamme da war, waren die Wehen plötzlich quasi weg. Es war nichts mehr los. Wir haben uns schlafen gelegt und als ich wieder aufwachte, war es nicht besser.

Nun kam die schlechte Nachricht. Wir hatten inzwischen den vierzehnten Tag und ich war somit dazu verpflichtet ins Krankenhaus zu fahren. Ich hatte mich dort vorher angemeldet. Das muss man in Deutschland. Jedoch hatte ich noch nicht mal eine Tasche gepackt, da ich ja nicht vor hatte ins Krankenhaus zu fahren...
Unsere Hebamme hat uns dann ins Krankenhaus gefahren. Hier wollten wir dann die Geburt richtig einleiten.

Erst einmal musste ich den Gedanken der Hausgeburt aufgeben und dann ging es dort auch sehr schleppend weiter. Wehenmittel, CTG, Pause, Wehenmittel, CTG, Pause. Wir waren morgens um 7 Uhr da und abends hatte ich dann richtig Wehen. Ich hatte einen Blasensprung. Sein Wasser war schon etwas grün verfärbt.

Danach kamen sechs Stunden auf dem Zimmer, nachdem ich ein Schmerzmittel bekommen hatte, mit miesen Wehen. Dann noch mal sechs Stunden im Kreißsaal. Ohne das sich jemand um uns so recht kümmerte. Thies schlief im Kreissaal auf einer Isomatte. Er war die wundervollste Begleitung, die ich mir hätte Wünschen können.
Ich bekam dann eine PDA und ein Wehentropf. Mein Muttermund öffnete sich auf die 10cm und wir versuchten eine normale Geburt. Meine Kräfte waren am Ende. Und dann im liegen gebären... Es ging nicht. Die Presswehen waren schrecklich. Eine Hebamme warf sich auf mich. 

Irgendwann sagten sie, er sei zu groß und sie würden nun einen Kaiserschnitt machen wollen. Ich muss ehrlich sagen, dass ich schon Stunden früher zum Kaiserschnitt bereit war. Es hatte mich nur keiner gefragt. 
Sie holten ihn, nachdem er sich aus dem Geburtskanal wieder entfernt hatte, dann raus. Es war kein schönes Gefühl. Die Presswehen hörten auf dem Weg in den OP einfach nicht wieder auf. Dann mit Betäubungsmittel ging es und ich spürte nur noch die Bewegung der Ärzte in meinem Körper. 

Er wurde um 6.19 Uhr geboren mit einem verbeulten Kopf vom dem Geburtsversuch. Er schrie, es ging ihm gut. Der Kleine hatte zum Glück keinen Stress. Er ist ein ganz entspanntes Bürschchen.

Als alles vorbei war fühlte ich mich zuerst so, als wäre ich um meine Geburt betrogen worden. Natürlich habe ich keine Ahnung, wann die Geburt von meinem Körper natürlich ausgelöst worden wäre. Mein Vater kam wohl einen Monat zu spät auf die Welt. Damals interessierte das niemanden. Natürlich bin ich unglaublich froh um die Möglichkeiten, die es heutzutage gibt. Auch wenn ein Kaiserschnitt immer noch ein großer Eingriff mit einer großen Narbe ist, so sind die fachlichen Kenntnisse doch heute so weit, das man wirklich gut damit klar kommt. 

Ich verstehe nun, warum man von Geburtstrauma spricht. Ich war in den ersten Wochen ziemlich durch den Wind. Inzwischen habe ich mich viel damit auseinander gesetzt und immer mehr Frieden gefunden. Ich kann merken, dass immer mal wieder diese Stimme kommt, die mir sagen will, dass ich auf einer einsamen Insel besser dran gewesen wäre. Dann antworte ich ihr, "das weißt du nicht". Ich habe alles gegeben und es ist gut so wie es ist. Ich habe das wundervollste Wesen, das ich mir vorstellen könnte nun in meinem Leben. Das war es allemal Wert.

Ich kann sehen, das ich Frauen mit Kaiserschnitten immer irgendwie überheblich gegenüber war. Sowas würde mir nicht passieren. Von wegen! Wie arrogant man manchmal ist.
Ich verneige mich von der Natur und der Technik. Schmeiße meine Vorurteile über Bord und sehe lieber verliebt in die Augen meines Babies.

Hier geht es zum Bericht meiner 2. Geburt im März 2017. Es war diesmal eine Wassergeburt.